Durch intensive Krebsforschung gelingt es heutzutage immer häufiger, Patienten zu heilen oder die Behandlungsphase zumindest deutlich zu verlängern. Dieser glückliche Umstand kommt mit neuen Herausforderungen einher. Im Folgenden geht es um Veränderungen der sozialen und ökonomischen Lebenssituation. Von der Erstdiagnose über ein mögliches Rezidiv bis zur palliativen Phase gilt es, sich über Möglichkeiten der Unterstützung zu informieren und neutrale Beratung zu erhalten. Hierzu können dem Beitrag konkrete Informationen entnommen werden, außerdem wird aufgezeigt, wie gesellschaftliche und berufliche Teilhabe im Alltag realisiert werden kann.

Soziale Arbeit in der Onkologie

Anne Weininger

1 Aktuelle Situation

In Deutschland erhalten jährlich fast 500.000 Menschen eine Krebsdiagnose. Zukünftig wird nahezu jeder zweite Mensch in Deutschland im Verlauf seines Lebens einmal an Krebs erkranken – so eine Prognose des Robert Koch-Instituts. [7]

Aufgrund des medizinischen Fortschrittes gelingt es in immer mehr Fällen, Krebs zu heilen oder ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Die sogenannte Krebssterblichkeit sinkt in den letzten Jahrzehnten deutlich, die Überlebenszeiten steigen, wodurch immer mehr Patientinnen und Patienten sehr lange Erkrankungs- und Behandlungsverläufe erleben. Erkrankungen, die früher schnell zum Tod geführt hätten, nehmen verstärkt einen chronischen Verlauf. In Deutschland leben aktuell über vier Millionen Menschen, die an Krebs erkrankt sind oder im Verlauf ihres Lebens an Krebs erkrankt waren. [8]

Durch die Diagnose Krebs sind Betroffene und auch ihre Angehörigen mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Neben körperlichen und psychischen Folgen haben die Erkrankung und die notwendige Therapie auch Auswirkungen auf die soziale, berufliche und finanzielle Situation. Die Soziale Arbeit in der Onkologie hat das Ziel, die Patientinnen und Patienten sowie auch ihre Angehörigen bei der Alltags- und Lebensbewältigung zu unterstützen sowie Ausgrenzung und Benachteiligung der Betroffenen zu verhindern. Hierbei blickt sie auf eine über hundertjährige Geschichte zurück.

2 Geschichte der Sozialen Arbeit in der Onkologie

Die Soziale Arbeit hat in der Versorgung onkologischer Patientinnen und Patienten und ihrer Angehörigen eine lange Tradition. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts bildet die Arbeit mit chronisch kranken beziehungsweise an Krebs erkrankten Menschen einen wichtigen Schwerpunkt Sozialer Arbeit. Bereits um 1900 wurden das Deutsche Zentralkomitee zur Erforschung und Bekämpfung der Krebskrankheit und die Krebsinstitute Berlin und Heidelberg gegründet. Des Weiteren entstand an der Charité Berlin eine Fürsorgestelle für Krebskranke. [5] Schon damals lagen die Aufgaben der Fürsorgerinnen sowohl in der Unterstützung der Bewältigung von Krankheitsfolgen als auch beim Abbau von krankheitsverursachenden Lebensumständen. Sie können somit als die Vorreiter der Sozialen Arbeit im Gesundheitswesen gesehen werden.

„Die Soziale Krankenhausfürsorge will für die Kranken das tun, was Arzt und Pflegerin nicht für sie tun können. Sie will ihnen bei den wirtschaftlichen Sorgen, die durch ihre Krankheit entstehen, Rat und Hilfe schaffen. Sie will den Kranken die Unruhe und Angst nehmen, die ihre Wiederherstellung verzögern, wenn sie ihre Familie in Not wissen. Sie will den Kranken schon während ihres Aufenthaltes im Krankenhaus die Gewissheit geben, dass sie auch nach der Entlassung nicht in Sorgen und ohne Beistand bleiben“ (Alice Salomon, zitiert nach Reinicke, 1994)

Heute ist die Beratung onkologischer Patientinnen und Patienten durch die Soziale Arbeit ein fester Bestandteil der Versorgung und findet in allen Phasen der Erkrankung statt: bei Erstdiagnose und Erstbehandlung, in der Nachsorge, beim Fortschreiten der Erkrankung und in der Palliativphase. Sie wird in Akutkrankenhäusern, in Rehabilitationskliniken und in ambulanten Beratungsstellen, aber auch in Hospizen, Pflegeheimen und Integrationsfachdiensten angeboten und richtet sich an alle onkologischen Patientinnen und Patienten, unabhängig von der Art der Erkrankung, Alter, sozialer Situation und Herkunft.

Die gesetzlichen Grundlagen für die psychosoziale Beratung als Bestandteil der Versorgung der Betroffenen finden sich im Sozialgesetzbuch V (§ 112), den Landeskrankenhausgesetzen, im Nationalen Krebsplan und in der Gemeinsamen Empfehlung „Sozialdienste“ der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR).

3 Soziale Auswirkungen einer onkologischen Erkrankung

Mit einer Krebserkrankung und ihren Auswirkungen gehen für die Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen erhebliche Belastungen einher. Neben körperlichen und psychischen Folgen erleben die Betroffenen häufig auch eine Veränderung ihrer Lebenssituation in sozialer und sozioökonomischer Sicht.

Durch veränderte Therapieverfahren und neue Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich immer längere Behandlungsverläufe. Die neuen Therapien sind mit zum Teil schweren Nebenwirkungen und erheblichen Langzeitfolgen verbunden, die zu langfristigen Einschränkungen der körperlichen und psychischen Belastbarkeit führen und die soziale, gesellschaftliche und berufliche Teilhabe gefährden können. Lange Zeiten der Arbeitsunfähigkeit können zu deutlichen finanziellen Einbußen führen. Eine Krebserkrankung muss somit als Armutsrisiko betrachtet werden. [11]

Die Diagnose Krebs verlangt von den Betroffenen eine Auseinandersetzung mit dem Gesundheitssystem und den entsprechenden Sozialleistungsträgern in einem für sie vollkommen neuen Umfang. Hierbei benötigen sie häufig Orientierung, Unterstützung und Beratung. [1] Diese Beratung wird von der Sozialen Arbeit vorgehalten. Sie sollte bedarfsgerecht und neutral sein sowie die körperliche, psychische und soziale Situation im Sinne des bio-psychosozialen Modells berücksichtigen. Sie kann sich je nach Bedarf auf die Vermittlung von Informationen und Handlungswissen beschränken, oder aber auch einen ausführlichen individuellen Beratungsprozess über einen längeren Zeitraum umfassen. Dabei stehen immer die Patientenwünsche und das Selbstbestimmungsrecht im Vordergrund. Ziel der Beratung ist es, Belastungen zu reduzieren, Handlungsspielräume zu eröffnen und verlorene Kontrolle zurückzugewinnen. [4]

Im Folgenden werden die Inhalte der Psychosozialen Beratung onkologischer Patienten nach Krankheitsphasen aufgeführt. Diese Einteilung ermöglicht einen strukturierten Überblick über die relevanten Themen, die Patientinnen und Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung beschäftigen. Sie lässt jedoch außer Acht, dass die individuellen Erkrankungssituationen selten diesen klaren Phasen folgen und dass natürlich nicht alle Betroffenen alle aufgeführten Phasen durchlaufen. So gibt es zum Beispiel Patientinnen und Patienten, deren Erkrankung schon bei Erstdiagnose deutlich fortgeschritten und bereits metastasiert ist. Die Themen und Fragstellungen, die diese Menschen beschäftigen, sind selbstverständlich andere als die von Erkrankten, die sich in einer kurativen Behandlungssituation befinden. Die Inhalte der Beratung orientieren sich deshalb immer an der Lebenswelt und den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten und sind auf die jeweilige individuelle Situation anzupassen.

3.1 Erstdiagnose und Erstbehandlung

In der Situation der Erstdiagnose und Primärbehandlung fühlen sich viele Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen überfordert und orientierungslos. Sie sehen sich mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert, die neben körperlichen und psychischen Belastungen auch die Fähigkeiten betreffen, den Alltag zu bewältigen und die bisherigen Rollen in Familie, Beruf und sozialem Leben weiter auszufüllen. Aufgrund lang andauernder Therapien und den damit verbundenen Nebenwirkungen ergeben sich für viele Betroffene lange Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die wiederum mit erheblichen finanziellen Einbußen (Krankengeld, Erwerbsminderungs-Rente/Rente, reduzierte Arbeitszeit u. a.) verbunden sind. Gleichzeitig haben Patientinnen und Patienten zusätzliche Ausgaben zu leisten, wie Zuzahlungen für Medikamente und Fahrkosten. Die Diagnose Krebs kann deshalb eine Bedrohung für die Sicherung der materiellen Existenz darstellen. [11]

Auch in Bezug auf die Organisation des Alltags und verfügbare Unterstützungsleistungen stellen sich nach der Diagnose und während der Behandlung einer Tumorerkrankung viele Fragen: Wer übernimmt die Kosten für meine Therapiefahrten? Wer kümmert sich während der Zeit meiner Therapie um meine Kinder oder um meine pflegebedürftigen Angehörigen?

Die Diagnose Krebs erfordert von den Betroffenen vielerlei bürokratische und administrative Tätigkeiten zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes und zur Bewältigung ihres Alltags. So müssen unter Einhaltung bestimmter Fristen Anträge gestellt und verschiedene Verfahren auf den Weg gebracht werden. Diese Anforderung wird von vielen Patientinnen und Patienten als Überforderung erlebt, insbesondere, wenn sie beispielsweise durch Sprachbarrieren, eingeschränkte Mobilität oder mangelnde Information zusätzlich erschwert wird. [9]

Die Inhalte der Beratung durch die Soziale Arbeit variieren zwischen reiner Informationsvermittlung, der Unterstützung bei der Erschließung von Sozialleistungen und der Bearbeitung existenzieller Themen. Diese sind unter anderem Angst und Verunsicherung, Verlust der körperlichen Unversehrtheit oder Selbständigkeit, Befürchtungen hinsichtlich Partnerschaft und Familie, drohende Leistungseinschränkung und Verlust von Möglichkeiten der Lebensgestaltung.

Themen der psychosozialen Beratung durch Soziale Arbeit in der Phase der Erstdiagnose und Primärbehandlung sind insbesondere:

Krankheitsverarbeitung und Neuorientierung

  • Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensgestaltung und den Alltag
  • Erkennen und Förderung von Ressourcen

Wirtschaftliche Fragen und wirtschaftliche Sicherung

  • Entgeltfortzahlung und Krankengeld
  • Arbeitslosengeld I und II
  • Rentenleistungen
  • Zuzahlungsbefreiung
  • Härte- und Hilfsfonds

Versorgung von Angehörigen

  • Haushaltshilfeleistungen
  • Häusliche Pflege

Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen

  • Entwicklung eines individuellen Rehabilitationsplanes
  • Klärung Kostenträger
  • Auswahl einer geeigneten Klinik unter Berücksichtigung individueller Interessen und Lebenslagen

Berufliche Anpassung / Wiedereingliederung

  • Stufenweise Wiedereingliederung
  • Berufliche Teilhabeleistungen
  • Beratung zu Rentenfragen

Schwerbehindertenrecht (SGB IX)

  • Erhöhter Kündigungsschutz
  • Steuerfreibeträge
  • Zusatzurlaub

Vermittlung an weitere Beratungsangebote

  • Schuldnerberatung
  • Integrationsfachdienst
  • u. v. m.

Vermittlung an Selbsthilfeangebote

Ansprechpartner für Anliegen bezüglich dieser Themenbereiche sind im Rahmen der Ersterkrankung zunächst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes im Akutkrankenhaus. Sieinformieren über die Möglichkeiten und Leistungsansprüche, stellen gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten entsprechende Anträge und bieten die Gelegenheit, die schwierigen Aspekte der Krebsdiagnose zu thematisieren.

Nach Abschluss der Primärbehandlung thematisiert der Sozialdienst in der Rehabilitationsklinik insbesondere alle Aspekte der beruflichen Situation, wie die Rückkehr an den Arbeitsplatz, Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben und mögliche Rentenfragen.

Nach Abschluss der (Erst-)Behandlung erleben viele Patientinnen und Patienten eine starke Verunsicherung und manche auch längerfristige Beeinträchtigungen. Die Rückkehr in Alltag und Beruf gestaltet sich für manche der sogenannten „Cancer Survivors“ schwieriger als erwartet und wird nicht selten als Überforderung erlebt. Die teilweise langfristigen Nebenwirkungen und Folgen der Therapie erfordern in manchen Fällen eine Anpassung und Umstrukturierung der beruflichen Tätigkeit, wie die Reduzierung der Arbeitszeit oder sogar den Wechsel der Arbeitsstelle. In dieser Phase dienen psychosoziale Beratungsgespräche der Stabilisierung, Neuorientierung und der weiteren Reintegration. Diese werden insbesondere in ambulanten Krebsberatungsstellen angeboten. [4]

3.2 Wiederauftreten der Erkrankung / Rezidiv

Das erneute Auftreten und das Fortschreiten der onkologischen Erkrankung bringt alle Routinen und Kompetenzen ins Wanken, die nach Abschluss der Primärbehandlung gegebenenfalls gerade erst wieder neu erarbeitet wurden. Von den Betroffenen wird das Wiederauftreten der Erkrankung als Enttäuschung und existenzielle Bedrohung erlebt. Patientinnen und Patienten sehen sich durch einen dauerhaften Verlust ihrer Autonomie und Selbständigkeit bedroht. Die nun erforderliche erneute Behandlung kann bedeutend belastender erlebt werden als die Erstbehandlung.

Da eine fortschreitende Erkrankung häufig die langfristige Erwerbsfähigkeit der Betroffenen gefährdet, benötigen sie in dieser Phase Beratung zu den Möglichkeiten, ihren Arbeitsplatz erhalten, zu einer beruflichen Umorientierung oder zur Rentenantragstellung.  Die Verunsicherung in Bezug auf berufliche Fragen geht einher mit großen existenziellen Sorgen, die die Lebensplanung, das Selbstwertgefühl, die soziale Position, familiäre Absicherung, Zukunftsplanung u. v. m. einschließen.  In dieser Phase ist ein niedrigschwelliges und leicht zugängliches Beratungsangebot erforderlich, das auch bei der Auseinandersetzung mit Krankenkassen, Sozialleistungsträgern und Behörden und den entsprechenden Antragstellungen unterstützt. Patientinnen und Patienten sowie Angehörige erhalten in dieser Situation Beratung und Unterstützung von den Sozialdiensten der Krankenhäuser, der ambulanten Beratungsstellen und der Rehabilitationskliniken. Eine enge Zusammenarbeit mit weiteren Fachdiensten im onkologischen Bereich wie der Psychoonkologie oder Selbsthilfegruppen ist hierbei sehr hilfreich.

Zusätzlich zu den oben genannten Beratungsinhalten sind in der Phase der fortschreitenden Erkrankung folgende Themen Schwerpunkte der psychosozialen Beratung:

Leistungen der Pflegeversicherung (SGB XI)

  • Beantragung von Pflegeleistungen
  • Ambulante und Stationäre Versorgung

Hilfsmittelversorgung

Beratung zu Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht

Entlastung der Angehörigen

3.3 Palliative Phase

Bei weiterem Fortschreiten der Erkrankung und dem Übergang in eine palliative Behandlungssituation zeigen sich die vorausgehend genannten Probleme in gleicher Weise, teilweise in zugespitzter Form. Die Auseinandersetzung mit zunehmender körperlicher Einschränkung, Pflegebedürftigkeit und Abhängigkeit rückt in den Vordergrund. Dabei spielt auch die Frage nach notwendigen rechtlichen Schritten (Rentenantrag, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung) eine große Rolle.

Patientinnen und Patienten sowie insbesondere deren Angehörige suchen nach verlässlicher professioneller Begleitung, die sie dabei unterstützt, die existenzielle und oft höchst belastende Situation gemeinsam „aushalten“ zu können. [9] In der Beratung wird auf das individuelle Erleben, die Bedürfnisse und Wünsche der Erkrankten und ihrer Angehörigen eingegangen. Die Betroffenen werden so bei der Bewältigung und Stabilisierung der Situation unterstützt. Themen wie Sterben, Trauer und Verlustangst können angesprochen werden und finden in der Beratung einen Raum. Neben der intensiven Auseinandersetzung mit der drohenden oder bereits eingetretenen Situation werden, unter Einbezug der Angehörigen, auch konkrete Lösungsmöglichkeiten in Bezug auf die Versorgungssituation erarbeitet. Hierbei geht es um die Information zu regionalen Versorgungsangeboten, die Beantragung von Hilfsmitteln (zum Beispiel Rollatoren oder Rollstühlen) und die Klärung von Finanzierungsfragen. Ziel ist es, die Wünsche und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten mit den Wünschen und Möglichkeiten ihrer Angehörigen abzustimmen und realisierbare Lösungen zu erarbeiten. [4]

In der weit fortgeschrittenen Erkrankungssituation stehen auch die ambulante und stationäre Palliativ- und Hospizversorgung im Zentrum der Beratung.

In dieser Phase der Erkrankung verschieben sich noch einmal die Beratungsschwerpunkte. Ein besonderes Gewicht erhalten nun die folgenden Themen:

  • Ambulante und Stationäre Hospizversorgung
  • Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV)
  • Angehörigenberatung
  • Trauerbegleitung

4 Methoden der Sozialen Arbeit in der Onkologie

Fachkräfte der Sozialen Arbeit in der Onkologie verfügen über ein differenziertes Repertoire an Methoden, um der großen Bandbreite an Themen gerecht zu werden, die ihnen in ihrer täglichen Arbeit mit Krebspatientinnen und -patienten und deren Angehörigen begegnen. Sie bedienen sich sowohl diagnostischer Elemente als auch einzelfall-, system- und gesellschaftsbezogener Interventionen. [1]

Einige methodische Ansätze der Sozialen Arbeit in der Onkologie werden im Folgenden exemplarisch beschrieben.

4.1 Beratung

Psychosoziale Beratung ist eine zentrale Handlungsform klinisch orientierter Sozialer Arbeit. Sie findet in unterschiedlichen Settings statt: persönlich, telefonisch oder auch schriftlich (zum Beispiel per E-Mail). Die Beratung kann aus einem einzelnen Gespräch zur reinen Informationsvermittlung oder aus einem längeren Beratungsprozess bestehen. Die Anzahl der Gespräche und deren zeitliche Dauer richten sich nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten. [1]

Da sich jede Tumorerkrankung unterschiedlich auf das Leben beziehungsweise den Alltag der Betroffenen auswirkt und unterschiedliche Belastungen nach sich ziehen kann, geht es in der Beratung zunächst darum, die jeweiligen Probleme zu identifizieren sowie die verfügbaren Ressourcen in den Blick zu nehmen. [8] Ziel der professionellen Beratung ist es, Patientinnen und Patienten in Bezug auf ihre Fragen und Probleme mit Einsatz von kommunikativen Mitteln zu mehr Wissen, Orientierung oder Lösungskompetenz zu verhelfen. [10]

Für die Soziale Arbeit haben sich die personenzentrierte Beratung oder klientenzentrierte Gesprächsführung als methodische Zugänge bewährt. Diese Ansätze wurden von dem humanistischen Psychologen Carl Rogers entwickelt und sind von einer Haltung der Authentizität, Akzeptanz und Empathie geprägt. Wesentliche Interventionen sind Präsenz, Aktives Zuhören, gezieltes Nachfragen, Verbalisieren von Gefühlen sowie Fokussieren und Spiegeln. [1] Über die reine Gesprächsführung hinaus erfolgt in der Beratung im Kontext Sozialer Arbeit aber auch eine praktische Unterstützung der Patientinnen und Patienten bei der Beantragung und Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen, bei der Erschließung von Ressourcen oder der Durchsetzung von (Patienten-)Rechten. [8]

4.2 Casemanagement

Krebspatientinnen und -patienten bewegen sich im Verlaufe ihrer Erkrankung in unterschiedlichen Kontexten und Sektoren. Sie werden stationär, teilstationär und ambulant im Krankenhaus oder beim niedergelassenen Onkologen behandelt, sind an Maßnahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation beteiligt und nehmen die Leistungen ambulanter Versorger, wie Pflegedienste oder Haushaltshilfen, in Anspruch. [8] Diese multiplen und heterogenen Versorgungsstrukturen bringen einen hohen Koordinationsaufwand und die Notwendigkeit enger Abstimmung mit sich. Die Soziale Arbeit übernimmt hier eine Art Navigations- beziehungsweise Lotsenfunktion. [3] Sie koordiniert die verschiedenen Hilfen und trägt zu möglichst naht- und reibungslosen Schnittstellen bei. Hierfür benötigen die Beraterinnen und Berater neben der entsprechenden sozialrechtlichen Expertise Kenntnis über die unterschiedlichen Versorgungsangebote, die regionale Angebotsstruktur und die entsprechenden Zugangswege. [8]

4.3 Krisenintervention

Die Diagnose einer Krebserkrankung, aber auch die daraus resultierenden psychosozialen und sozioökonomischen Belastungen können Patientinnen und Patienten in solcher Weise überfordern, dass eine Krisensituation entsteht. Das erfordert eine schnelle und zugewandte Reaktion. Die Fachkräfte Sozialer Arbeit erfassen und strukturieren komplexe Problemsituationen, aktivieren Ressourcen und eröffnen Handlungsmöglichkeiten in kleinen Schritten. Sie verfügen über das notwendige Wissen und Handlungsrepertoire und sind mit anderen sozialen Unterstützungsangeboten vernetzt, um schnell die notwendige Hilfe einzuleiten. [8]

4.4 Empowerment

Die Diagnose einer Krebserkrankung löst bei vielen Patientinnen und Patienten ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit aus. Empowerment im Sinne einer Selbstermächtigung hat die Stärkung der Problemlösungs- und Veränderungsfähigkeit der Betroffenen zum Ziel. [1] Sie sollen in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden, diese zu vertreten und ihre Interessen durchzusetzen. Hierbei spielen die Gesundheits- und Psychoedukation, aber auch die Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen und Selbstfürsorge eine wichtige Rolle.

5 Wo gibt es Unterstützung?

5.1 Ansprechpartner

  • Ambulante Krebsberatungsstellen
  • Sozialdienste in Krankenhäusern
  • Sozialdienste in Rehabilitationskliniken
  • IAV-Stellen / Pflegestützpunkte
  • Selbsthilfegruppen, Selbsthilfebüros, Selbsthilfe-Kontaktstellen
  • Beratungsangebote der Leistungsträger und Behindertenverbände

5.2 Nützliche Adressen

Literatur

  1. Adlkofer, U, Bruns, G, Pindl, M, Schöter, K., Strecker, P (2021): Soziale Arbeit in der ambulanten Krebsberatung. In: Forum 36, 12–15
  2. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2021): Der Sechste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Lebenslagen in Deutschland
  3. Dettmers, S (2015): Qualitätskonzept Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit – QGSA der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen
  4. Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (2016): DVSG – Grundsatzpapier. Soziale Arbeit in der Onkologie – Der Beitrag der Sozialen Arbeit zur psychosozialen Versorgung onkologischer Patienten und ihrer Angehörigen
  5. Reinicke, P (1989): Psychosoziale Hilfen für Tumorkranke und ihre Familien – Gestern und heute. In: Soziale Arbeit 38 (7), 259–269
  6. Reinicke, P (1994): Krankenhaus – Sozialarbeiter als Partner in der Gesundheitsversorgung
  7. RKI – Robert Koch-Institut (2016): Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland
  8. Rösler, M, Walther, J, Schneider, S, Adolph, H (2016): Soziale Arbeit in der Onkologie – eine zusammenfassende Übersicht. Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Soziale Arbeit in der Onkologie (ASO) der Deutschen Krebsgesellschaft e. V.
  9. Schneider, S, Walther, J (2019): Soziale Arbeit in der Onkologie. In: Dettmers, S, Bischkopf, J (Hrsg.): Handbuch gesundheitsbezogene Soziale Arbeit, 209–218
  10. Sickendiek, U, Engel, F, Nestmann, F (2008): Beratung – Eine Einführung in sozialpädagogische und psychosoziale Beratungsansätze, Beltz Juventa, Weinheim
  11. Walther, J, Mehlis, K (2021): Finanzielle Belastungen von Krebspatient*innen: Perspektive des Sozialdienstes und empirische Daten einer Pilotstudie am NCT Heidelberg. In: Krebs im Forum 13, 34–36